Anton Kristal (links) und sein Freund The Anh Dao hatten die Friedensdemo heute vor der Roten Schule organisiert und freuten sich, dass rund 260 Teilnehmer hierher gekommen waren. Fotos: west

west Cloppenburg
‚Rund 260 Bürger kamen heute am frühen Nachmittag (06.03.) zu einer privat über Social Media organisierten Friedensdemonstration auf dem Platz vor der Roten Schule in Cloppenburg zusammen. Vermisst wurden Redner aus Politik und Verwaltung. Dafür schilderte eine junge Mutter aus der Ukraine eindringlich ihre Ängste um ihre Familie vor Ort. Knapp eine Stunde dauerte die Demo. Spontan hatten sich auch gut ein Dutzend Biker der Aktion angeschlossen. Gemeinsam drehten sie ihre Motoren auf und gaben damit das Signal für eine Schweigeminute.

Anton Kristal (22) und The Anh Dao (23), zwei Freunde aus Cloppenburg, hatten die Demo relativ spontan auf die Beine gestellt und über die sozialen Netzwerke zur Teilnahme aufgerufen. Dabei hatten sie – gut gemeint, aber missverständlich – zunächst die Logos der Ratsparteien mit auf ihren digitalen Flyer gestellt, dies aber wohl nicht mit den Fraktionen abgestimmt. Diese sahen sich so unwissenderweise als Mitveranstalter präsentiert. CDU, FDP und Grüne distanzierten sich am Freitagnachmittag in einer gemeinsamen Presseerklärung, „da wir nicht wissen, ob unter dem Deckmantel der demokratischen Parteien Inhalte verbreitet werden, die wir nicht unterstützen”. So trat bei der Kundgebung niemand aus der Cloppenburger Politik ans Rednerpult. Unter den Teilnehmern wurden auch keine Parteivertreter gesichtet.

Doch die Befürchtungen erwiesen sich als unbegründet. Was man mit einer kurzen Nachfrage wohl hätte schnell klären können. Wie auch immer: Hier haben einfach zwei junge Leute aus Cloppenburg ihr Herz in die Hand genommen und eine Demo gestartet, die für „diesen Krieg direkt in unserer Nähe ein Bewusstsein schaffen” sollte, verbunden mit dem Appell „nicht wegzusehen” und dem Aufruf zum Frieden. Keine antirussischen Parolen, keine Aggressionen. Nur der Wunsch nach Frieden; Mitgefühl mit den Menschen in der Ukraine und die angstvolle Frage: Wie weit geht Putin?

Mittendrin kämpften einige ukrainische Familien mit den Tränen. Und Olena, eine junge Mutter, deren Verwandte nahe der moldawischen Grenze leben, wandte sich mit einem dramatischen Appell an die Zuhörer: „Wir sind im Krieg! Wisst ihr, was das heißt? Unsere Städte werden dem Erdboden gleich gemacht. Menschen sterben. Helft uns!” Was sie und einige andere Ukrainer aber ganz klar sagten, war: „Dies ist kein Krieg der Russen, das ist allein Putins Krieg. Die Russen sind nicht unsere Feinde, wir sind doch Brüder. Wir sind nicht gegen die Russen, nur gegen Putins Machtstreben!” Und das gelte nicht nur der Ukraine: „Der will die ganze Welt zerstören.”

Während Olenas Familie in Chernowic jeden Tag mit Bombeneinschlägen rechnet, stecken die Verwandten und Freunde von Maryna nahe der russisch besetzten Krim schon längst mitten drin. Jeden Tag der bange Anruf: „Seid ihr noch am Leben?” Bomben schlagen ein, vernichten ganze Straßenzüge und Orte. Tote, Verletzte, blanke Not. Das ist die Realität, über die die westlichen Medien Tag für Tag berichten. Doch viele Russen wissen davon nichts oder sind von russischer Propaganda so beeinflusst, dass sie Putins Angriffskrieg für eine Lüge halten – nicht nur in Russland, oft genug auch hier in Deutschland. Olena und Maryna treffen fast jeden Tag Menschen, die hier leben, sich aber nur über das russische Staatsfernsehen informieren: Entsprechend hätten „viele ein ganz falsches Bild”. Deshalb ist es den beiden Frauen und ihren ukrainischen Landleuten so wichtig, „nicht leise zu sein” und sie appellieren an alle, „die Wahrheit zu erzählen”.

Auch bei CDU, FDP und Grünen „gelten unsere Gedanken weiterhin dem Volk der Ukraine. Wir trauern mit den Familien um die Opfer und bewundern den Mut und den Willen aller Ukrainer, die für ihre Freiheit und die Freiheit der Ukraine kämpfen”, hieß es in der Pressemitteilung vom Freitag. Auch die Politiker fordern, den „brutalen Angriffskrieg sofort zu stoppen”. Vielleicht kann man dafür beim nächsten Mal ja auch wieder gemeinsam auf die Straße gehen.