Cloppenburg/Oldenburger Land.

Der 34. Tag der Altenpflege des LCV stellt die Frage nach der Begleitung im Sterben in den Mittelpunkt. Klar wird: Der Suizid gehört nicht in die Tabuzone. Der Kampf für das Leben aber bleibt wichtig – gerade auch am Lebensende. Foto: Ebert

Nicht mehr leben wollen – oder so nicht mehr leben wollen: Der schmale Grat zwischen persönlicher Freiheit zum Suizid und dem Schutz allen menschlichen Lebens stand jetzt im Mittelpunkt des 34. Tages der Altenpflege. Die Arbeitsgemeinschaften katholischer Einrichtungen der Altenhilfe im Landes-Caritasverband für Oldenburg hatten in die Cloppenburger Stadthalle eingeladen, rund 520 Frauen und Männer waren gekommen. Das Thema hätte aufgrund laufender politischer Debatten kaum aktueller sein können: „Assistenz beim Suizid oder Hilfe beim Sterben?“.

Andreas Lob-Hüdepohl (Foto), Professor für Theologische Ethik und Mitglied des Deutschen Ethikrates, beleuchtete in seinem Impulsvortrag einen gangbaren Weg auf diesem schmalen Grat. Aus ethischer Sicht sei klar, dass Todeswünsche ernstzunehmen und die freie Entscheidung mündiger Individuen unbedingt zu respektieren sei. Auch aus Sicht der katholischen Kirche in Deutschland dürften Menschen mit Suizidwunsch nicht verurteilt werden. Vielmehr seien „Tabuisierungen, Schuldvorwürfe, aber auch Bagatellisierungen Teil des Problems“, so Lob-Hüdepohl. 

Brisanz hat das Thema des assistierten Suizids in Deutschland spätestens seit dem 26. Februar 2020. Damals entschied das Bundesverfassungsgericht, dass niemandem, der seinen Willen frei und klar äußern könne, in Deutschland eine Assistenz beim Suizid verwehrt werden dürfe. Das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe wurde als nichtig erkannt. Daraus folgt aber nicht, dass jemand verpflichtet werden kann, einer Person beim Suizid zu assistieren. Der Suizid selbst ist in Deutschland, wie Lob-Hüdepohl referierte, bereits seit 1871 straffrei.

Doch auch wenn Deutschland durch dieses Urteil mit Blick auf den assistierten  Suizid die liberalste Rechtslage der Welt habe: Suizidalen Ereignissen hafte weiter eine „bleibende Tragik“ an, so Lob-Hüdepohl. Wie also mit dieser Tragik umgehen? Für Lob-Hüdepohl geht es darum, den „Letztentscheid der Betroffenen unbedingt zu respektieren“, darüber aber nicht das Ziel aus dem Blick zu verlieren, das Leben der leidenden Person „lebbar“ zu halten. Eine Entscheidung für den Suizid müsse respektiert, aber nicht „heroisiert“ werden. Deshalb sei Suizidprävention von großer Bedeutung.

Dabei komme es laut Lob-Hüdepohl insbesondere darauf an, zu verhindern, dass externe Erwartungen Menschen unter Druck setzten, sich das Leben zu nehmen. Nach dem Motto: „Ich will den anderen nicht mehr zur Last fallen“. Stattdessen brauche es unbedingt „palliativ-barmherzige Schutzräume“, in denen kranke Menschen nicht aktiv mit der Option des Suizides konfrontiert würden.

Lob-Hüdepohl warnte vor „gefährlichen Entgrenzungen“ etwa in dem Fall, in dem Menschen mit fortschreitenden Erkrankungen gewissermaßen „prophylaktisch“ einen Suizid begingen, solange sie dazu noch selbstständig in der Lage seien. Der Ethiker sieht darin die Gefahr eines „zu frühzeitigen Suizids“. Zuletzt warnte Lob-Hüdepohl auch vor „Normalisierungstendenzen“. Zwar sei eine „Ent-Tabuisierung“ des Themas „Suizid“ wichtig,  es dürfe aber nicht zu „Vergleichgültigung“ und „Desensibilisierung“ in der Gesellschaft kommen. 

Dr. Tanja M. Brinkmann, Trauerberaterin und Trainerin aus Bremen, berichtete davon, wie sich der Trauerprozesse von Angehörigen nach assistiertem Suizid ausnehmen und verändern. Renate Lohmann, Leiterin der Stiftung Hospizdienst in Oldenburg, berichtete aus der Perspektive der ambulanten Hospizarbeit von Begegnungen mit Menschen, die ihr Leben nicht mehr oder nicht mehr so leben möchten wie bisher. Mit Blick auf die Arbeit der Pflegenden plädierte sie für eine „reflektierte Nähe“ zu den Patientinnen und Patienten. Ihr Resümee am Ende des Tages: „Das Ende des Lebens begleiten zu können, ist ein Geschenk für das eigene Leben“.