Beim diesjährigen Stapelfelder Ärzteforum hat der renommierte und über Fachkreise hinaus bekannte Medizinethiker Professor Dr. Giovanni Maio über die Potenziale und Risiken von Digitalisierung im Arztberuf gesprochen.

Stapelfeld/Oldenburger Land. Rund 40 Ärzte waren der Einladung von Weihbischof Wilfried Theising in die Katholische Akademie Stapelfeld gefolgt, um über „Den Arzt im digitalen Zeitalter“ nachzudenken, wie es in der Veranstaltungsankündigung hieß. Die Moderatoren des Abends – Akademiedirektor PD Dr. Marc Röbel und der Zwischenahner Psychiater Prof. Dr. Jörg Zimmermann – hatten den Titel „Der Arzt im digitalen Zeitalter“ unter Verweis auf einen Vortrag des aus Oldenburg stammenden Arztes und Philosophen Karl Jaspers (1883 bis 1969) gewählt („Der Arzt im technischen Zeitalter“).

Mit Blick darauf, wie die Digitalisierung das gesellschaftliche Leben und insbesondere das Wirken von Ärzten beeinflusse, warnte Professor Maio vor einer „Einseitigkeit“ in der zu starken Konzentration auf digitalisierte Daten, diese seien nur „Wirklichkeitsmoleküle“. Maio ist übrigens ein auch aus dem TV bekannter Ethikexperte, der seit 2005 Professor für Bioethik und Medizinethik an der Universität Freiburg ist. Daneben ist Maio unter anderem Mitglied des Ausschusses für ethische und medizinisch-juristische Grundsatzfragen der Bundesärztekammer und Mitglied der Ethikkommission für Stammzellenforschung.

Professor Dr. Giovanni Maio war Hauptredner beim Stapelfelder Ärzteforum. Foto: Katholische Akademie Stapelfeld/Ebert

Konkret stellte Maio fest, dass Digitalisierung nicht bloß eine Darstellung, sondern eine „Zurichtung der Wirklichkeit“ darstelle. Daneben werde das Wissen durch eine zu starke Fokussierung auf Daten „verzerrt“. Jenes Wissen, dass „nur implizit wichtig“ ist, werde abgewertet, erklärte Maio. Das heiße, in der Digitalisierung reduziere auch die Medizin die Wirklichkeit auf das, „was wir dokumentieren können“.

Das wiederum führe zu einer Abwertung der (ärztlichen) Erfahrung – obwohl diese ein „wesentliches Qualifikationsmerkmal für ärztliche Entscheidungen“ sei. Maio spitzte zu: „Die Herrschaft der Daten führt zum Niedergang der Erfahrung“. In der Folge drohe, dass in der Medizin der „Blick für das Ganze“ verloren gehe. Die Anhäufung von Daten führe zu einer „Überschärfe im Detail“, die Grenzen des Wissens aber würden diffus. Wer die zu behandelnde Person wirklich sei, das werde zunehmend übersehen, warnte Maio. Dadurch werde „sinnhaftes Verstehen“ ausgeblendet.
Vor dem Hintergrund dieser Warnungen plädierte Maio dafür, digitalisierte Daten zu nutzen, um das eigentliche ärztliche Denken – „das Denken, das die Welt des Labors mit der Welt des Lebens zusammenführt“ – zu stärken. In der lebhaften Diskussion berichteten die anwesenden Ärzte, Zahnmediziner und Psychologen von ihren Erfahrungen mit Chancen und Grenzen der Digitalisierung in den Heilberufen.

Gastgeber Weihbischof Theising betonte die Wertschätzung der katholischen Kirche im Oldenburger Land für die wichtige Arbeit der Mediziner. Ärzte und Kirche kämpften „gemeinsam für das Leben“. Der Mensch sei, so Theising, „Leib und Seele“. Deshalb sei es wichtig und gut, dass Seelsorger und Mediziner „gemeinsam beim Menschen seien, um ihm zu helfen“. Akademiedirektor Röbel betonte, die Kirche könne den Ärzten nicht sagen, wie sie ihren Beruf zu verstehen hätten. Das Stapelfelder Ärzteforum sei aber ein „Zeichen der Wertschätzung“ und ein Beitrag zur gemeinsamen Berufung: „dem Leben zu dienen“.